So schnell vergeht ein Monat und ich habe keinen neuen Eintrag geschrieben. Zum Einen konnte ich meine Gedanken nicht wirklich in Worte fassen, zum Anderen ist zwischendurch die Frau meines Vaters gestorben.
Donnerstags war ich mit meiner Schwester ja noch bei ihr im Krankenhaus, Samstag gegen Mittag ruft mein Vater an, dass sie in der Nacht verstorben sei. Ihre Tochter war noch da und hat zusammen mit meinem Vater und noch ein, zwei anderen am Freitag noch an ihrem Bett gesessen. Gegen 22 Uhr hat das Personal im Krankenhaus gesagt, sie sei stabil und es würde sich in der Nacht wohl nichts daran ändern. Leider haben sie sich geirrt. Gegen viertel vor eins muss der Arzt meinen Vater dann angerufen haben, dass er bitte kommen möchte, sie würde sterben. Mein Vater sagte hinterher, dass sie vermutlich während diesem kurzen Telefonat schon gestorben sei. Er hätte sich schnell angezogen und sei zum Krankenhaus gefahren. Das alles hat etwa eine viertel Stunde gedauert, das Krankenhaus ist von seiner Wohnung nicht weit weg. Eigentlich hätte er sogar zu Fuß gehen können wenn es nicht so eilig gewesen wäre. Als er ankam, haben die Pfleger noch ein wenig die Zeit genutzt, um sie ein wenig herzurichten. Sogar ihre Zähne habe das Pflegeteam ihr wieder eingesetzt, damit sie etwas besser aussah. Eine komische Vorstellung für mich und meine Schwester übrigens: Wir wußten nicht, dass sie künstliche Zähne hatte. Da kannten wir sie so lange und das wußten wir erst zwei Tage bevor sie gestorben ist. So geht es wohl manchmal.
Papa konnte kaum am Telefon sprechen als er es mir gesagt hat. Er hatte mich angerufen als ich mich mittags kurz hingelegt hatte. Zwei Minuten später habe ich mich dann bei ihm gemeldet. Meine Schwester und ich sind arbends noch zu ihm hingefahren. Wir haben mit ihm über sie geredet, über die Vergangenheit geredet, über uns, über die Welt... Es war ein komischer Abend. Aber ich denke, er war auch gut. Papa hat viel geredet. Es tat ihm sichtlich gut. Ok... die halbe Flasche griechischer Weinlikör tat ihm auch nicht schlecht, aber in so einem Fall kann man es auch mal fünfe gerade sein lassen und ihm beim Trinken zusehen. Meine Schwester hatte noch einen Kuchen gebacken und den mitgenommen.
Sonntag war Papa dann alleine, Montag sind wir zu ihm ins Büro gefahren. Ich habe mir die Woche für ihn frei gehalten und war danach jeden Tag bei ihm und habe ihm in seiner Firma geholfen. Er hat für die Woche den Betrieb ziemlich komplett eingestellt, um besser planen und verarbeiten zu können. Die Trauerkarten wollte er selber drucken. Es ist ihm schwer gefallen, das am Computer zu setzen und hinterher zu drucken. Dienstag abend bin ich mit ihm durch meinen (und seinen) ehemaligen Wohnort gefahren um die Karten zu verteilen. Ich bin Ende 1994 von dort weg gezogen und war danach eigentlich gar nicht mehr dort. Trotzdem haben mich einige direkt wieder erkannt. Die Inhaberin von dem kleinen Lebensmittelladen, in dem wir auf dem Schulweg immer ein paar lose Süßigkeiten gekauft haben, ein ehemaliger Nachbar... Ich war 14 als ich dort weg gezogen bin. Sehe ich meinem jüngeren ich etwa noch so ähnlich?
Der Rest der Woche ist mit Arbeit in Papas Firma vergangen, einigen Planungen für die Beerdigung und anderen Kleinigkeiten. Am Freitag, fast eine Woche nach ihrem Tod also, wurde dann Papas Frau beerdigt. Es war wirklich schön, so man es über eine Beerdigung sagen kann. Erst der Gottesdienst (...bei dem meine Schwester und ich gemerkt haben, dass man am besten in einer katholischen Kirche durch kommt, wenn man drauf achtet, was andere um einen rum so machen. Die Kirche ist ja schon ein ziemlicher Turnverein während der Messen...), von da aus zu Fuß zu dem Friedhof, der geschätzt etwa einen Kilometer entfernt ist von der Kirche. Auf dem Weg dort hin wurde übrigens tatsächlich die ganze Zeit gebetet. Meine Schwester und ich haben Papa rechts und links an den Arm genommen, vor uns der Pfarrer mit einigen Kirchenhelfern, direkt hinter uns die leibliche Tochter von Papas Frau mit ihrem Mann und den Kindern. Dahinter der gesamte Rest der Trauergäste. Wir sind tatsächlich mitten auf der Straße gegangen. Alle zusammen, das Gebet mitsprechend. Auf dem Friedhof angekommen gab es noch eine kleine Andacht in der Trauerhalle. Der Sarg war modern ein wenig schräg in der Halle aufgestellt. Es standen mehr Kränze und Schalen dort als wir dachten. Nach der Andacht kamen sechs einheitlich in schwarze Anzüge mit weißen Hemden gekleidete Sargträger und haben den Sarg in einen wunderschönen alten Wagen eingeladen. So traurig es auch war, der Anblick war einfach wunderschön. Sechs Männer in Anzügen, mit weißen Handschuhen und Zylindern, dazu der alte Leichenwagen. Der letzte Weg bis zur der Reihe, in der das Grab liegt, ist sehr steil. Für einen Handwagen wäre es vermutlich kaum zu schaffen gewesen, die Steigung zu bewältigen, hätten die Männer den Sarg getragen, das wäre wohl auch schief gegangen. Also wurde der Sarg das kurze Stück gefahren, dann aus dem Auto wieder ausgeladen und bis zum Grab getragen.
Es war komisch für mich, bei den Angehörigen zu stehen und die Beileidsbekundungen ausgesprochen zu bekommen. Sie gehörte lange zu meinem Leben und es waren für mich nicht immer gute Zeiten. Es ist damals viel passiert als ich jünger war, was mich veranlasst hat, bei meinem Vater und ihr auszuziehen und lange keinen Kontakt mit beiden zu haben. Ja, ich bin traurig, dass sie gestorben ist. Es ist für mich ein sehr komisches Gefühl, dass sie nicht mehr da ist. Diese Frau gehörte zu meinem Vater. Seit 20 Jahren waren die Beiden zusammen. Und jetzt... jetzt helfe ich meinem Vater und verschicke für ihn die Sterbeurkunden an alle wichtigen Stellen. Letzte Woche habe ich für ihn die Hinterbliebenenrente beantragt. Ich habe immer das Gefühl gehabt, die beiden würden so lange zusammenbleiben, bis sie beide mindestens 85 sind und dann an ihren Krankheiten sterben. Sie hat es jetzt vorweg genommen und meinen Vater zurück gelassen. Mein Vater ist ein guter Vater und Mann. Jetzt ist er alleine. Muß alleine für sich entscheiden. Er merkt es beim Einkaufen und in seiner Wohnung dass er jetzt alleine ist. Das alleine sein ist für ihn jetzt ein anderes als vorher. Sie war zwar lange im Krankenhaus, aber da lebte sie noch. Sie hätte wieder gesund werden können und nach Hause kommen können. Jetzt... liegt sie unter zwei qm Erde, ein paar Meter tief in einer Holzkiste. Sie kommt nie wieder. Der Tod kann etwas so grausam endgültiges sein, aber in manchen Gedanken auch so etwas wunderschönes. Für den, der geht, ist es nicht schlimm. Es gehört zum Leben. Schlimm ist es nur für die, die bleiben. Und auch die werden irgendwann gehen. Ich gebe zu: ein wenig beneide ich sie. Sie hat das Leben hinter sich. Für sie fängt etwas neues an, oder alles ist zu Ende. Aber das weiß nur die Person, die gestorben ist. Manchmal möchte ich das auch schon dürfen, aber ich muß noch warten. Ich bin noch nicht dran...
Mein herzliches Beileid, ich hoffe dir gehts es gut? *knuddel*
AntwortenLöschen